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Menschen suchen immer nach bekannten Dingen, nach Mustern und Zusammenhängen, um sich orientieren zu können. Wir nehmen Dinge, die eng beieinander sind, als Einheit wahr oder uns springen Dinge direkt ins Auge, wenn sie sich von anderen Elementen unterscheiden. Diese Phänomene nennt man auch Gestaltgesetze, die in diesem Text näher beleuchtet werden sollen.
Zunächst ist es aber entscheidend zu erwähnen, dass alle Gesetze und Regeln, die im Folgenden vorgestellt werden, nicht für den Zweck der Gestaltung entwickelt wurden. Vielmehr sind es Feststellungen und Erkenntnisse aus der Forschung, die beschreiben, wie die menschliche Wahrnehmung funktioniert. Für Gestalter*innen ist es daher sehr wichtig, die Gesetze und Regeln zu kennen und sich diese zunutze zu machen.
Das ist von großer Bedeutung, da die Art und Weise der Gestaltung unser Wahrnehmen, Erleben und letztlich auch Handeln bestimmt. Ebenso hat Gestaltung einen erheblichen Einfluss auf die Zufriedenheit der User*innen, indem diese schnell an ihre Ziele kommen, wenn sie das Interface bedienen.
Gesetz der Ähnlichkeit
Einander ähnliche oder gleiche Elemente werden als zusammengehörig erlebt. Dies kann sich durch Form, Farbe, Textur, Positionierung und/ oder Orientierung ausdrücken.
Gesetz der Nähe
Elemente mit geringeren Abständen zueinander nimmt unser Gehirn als eine Einheit war. Dies kann genutzt werden, um die Informationsdichte struktureller Zusammenhänge zu reduzieren.
Gesetz der Prägnanz
Menschen haben die Tendenz optische Reize in möglichst einfachen Gestalten abzubilden, dies kann mit Hilfe prägnanter Gestaltung genutzt werden, um Elemente in den Fokus zu setzen. Was steht im Vordergrund/ Hintergrund? Wo sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede? Das sind Fragen, die hierfür als Hilfestellung verwendet werden können.
Gesetz der Geschlossenheit
Unsere Wahrnehmung ist bestrebt mehrere Objekte als eine Einheit zu sehen, dies kann beispielsweise durch Umrandung der Schaltfläche mit einer Konturlinie oder durch Gliederung des Bildschirms mit Farbflächen erzeugt werden. Hierbei müssen Linien und Formen nicht immer geschlossen sein, uns bekannte Formen und fehlende Linien ergänzt unser Gehirn automatisch.
Gesetz der Kontinuität
Dieses Gesetz beschreibt unsere Neigung, einzelne Elemente zu gruppieren, wenn die erdachte Linie oder Kurve im Sinne der bisherigen Linienführung fortgesetzt werden kann. Somit können Hierarchiestufen oder Inhalte auf gleicher Fluchtlinie einer gemeinsamen logischen Ebene zugeordnet werden.
Gesetz des gemeinsamen Schicksals
Alle Elemente gleicher Bewegung oder gleichen Rhythmuses werden als zusammengehörig gedacht und können sich in Form von Animation, einblenden, ausklappen, verschieben oder einem akustischen Signal äußern. Dabei ist die optische Gestaltung für die Wahrnehmung in den Hintergrund gerückt.

Gesetz der gemeinsamen Regionen
Mehrere Elemente, die sich in einem abgegrenzten Gebiet befinden, werden als zusammengehörig empfunden. Dies ist vor allem von Bedeutung beim Auftreten mehrerer Elemente oder Gruppen gleichzeitig.
Gesetz der Verbundenheit
Hierbei werden verbundene Formen als Einheit wahrgenommen. Das Ähnlichkeits- und Nähegesetz können hiervon übersteuert werden.
Fitts’s Law
Fitts’s Law ist eine komplexe mathematische Formel, die sich mit physischen Bewegungen auseinandersetzt. Für den Bereich des Designs spielen folgende Faktoren eine wichtige Rolle: Die Funktion setzt unter anderem die Entfernung zu einem Ziel (z.B. von Mauszeiger zu einem Button) und die Größe des Ziels (z.B. Größe des Buttons) in ein Verhältnis. Daraus lassen sich folgende Erkenntnisse ableiten:
- User*innen brauchen mehr Zeit, um zu einem Ziel zu gelangen, wenn es weit entfernt vom Mauszeiger gelegen ist.
- User*innen brauchen auch mehr Zeit, um zu einem Ziel zu gelangen, wenn es klein ist (da der Mauszeiger exakter treffen muss und so schnell über das Ziel hinausschießen kann).
- User*innen brauchen weniger Zeit, um zu einem Ziel zu gelangen, wenn es nah am Mauszeiger gelegen ist.
- User*innen brauchen weniger Zeit, um zu einem Ziel zu gelangen, wenn es groß ist (da der Mauszeiger weniger exakt getroffen werden muss und kaum über das Ziel hinausschießen kann).
Zusammengefasst brauchen User*innen also am längsten, wenn das Ziel weit entfernt und klein ist, sie brauchen wenig Zeit, wenn das Ziel nah und groß ist und am kürzesten, wenn sich das Ziel direkt am Mauszeiger befindet oder das Ziel unendlich groß ist.
Beispiel für die Nähe des Ziels ist der Rechtsklick mit der Maus. Wenn wir rechts klicken, befindet sich unser Ziel immer beim nächsten Pixel neben dem Cursor. Das ist das maximale Minimieren der Distanz zum gesuchten Ziel.
Beispiel für die Größe des Ziels ist das Kreuz oben rechts in der Ecke zum Schließen eines Fensters bzw. jede Ecke des Bildschirms. Das liegt daran, dass diese Orte für Buttons als Fläche theoretisch unendlich groß sind. Somit eignen sich die Ecken als sehr gute Positionierung, da sie als Ziele extrem leicht zu erreichen sind. Bewegen wir unsere Maus in eine der Ecken, ist es unmöglich über das Ziel hinausschießen (deswegen auch theoretisch unendlich groß).
Hick’s Law
Hick’s Law beschäftigt sich mit der Frage nach dem Design von längeren Listen. Das Gesetz besagt: “The longer the list the longer it takes to make a selection.” Da wir also bei einem Zunehmen von Listen immer länger brauchen, eine Auswahl zu treffen, müssen sich Gestalter*innen eine Strategie zur bestmöglichen Übersichtlichkeit überlegen. Beispielsweise könnte man ein effizientes Scanning durch eine Reihenfolge nach Alphabet oder nach zeitlichem Ablauf machen.
Das unten aufgeführte Beispiel zeigt die Liste für die Spracheinstellung bei Windows, wobei die Sprachen nach alphabetischer Reihenfolge sortiert sind.
Miller’s Law
Die sogenannte »Millersche Zahl« sagt aus, dass ein Mensch nur ca. 7 (+/- 2) Informationen gleichzeitig in seinem Kurzzeitgedächtnis speichern kann. Die Größe des Kurzzeitgedächtnisses ist genetisch bedingt, weshalb man die Zahl durch Training auch nicht wirklich steigern kann. Dementsprechend sollten Designer*innen beachten, dass Elemente so organisiert werden, dass sie nie mehr als 9 Informationen enthalten. Besser wäre sogar sich auf 5 Informationen festzulegen. Das ist zum Beispiel entscheidend bei der Navigation einer Website. Hier gibt es einen direkten Zusammenhang zu der zuvor beschriebenen Hick’s Law. Sobald es viele Optionen und Informationen gibt, sollten Gestaltende diese in adäquate Kategorien unterteilen. Somit wird die Entscheidungsfähigkeit durch eine logische Struktur erheblich verbessert. User*innen suchen zuerst nach der passenden Kategorie, dann innerhalb dieser nach dem passenden Element.
Murphy’s Law
Murphy’s Law ist eine Lebensweisheit über das menschliche Versagen beziehungsweise Fehlerquellen in komplexen Systemen. Bei einem Test der US Air Force im Jahr 1949 ging alles Erdenkliche schief. Daraufhin formulierte Edward A. Murphy das Gesetz “Anything that can go wrong will go wrong.”. Murphy’s Law bezieht sich alleinig auf geschlossene Systeme oder Versuchsanordnungen und hat nach Ulf Heuner nichts mit Entropie, Zufall oder Wahrscheinlichkeit zu tun. Sehr häufig sind Menschen die Verursachenden von Fehlern, jedoch sind nicht menschlich beeinflussbare Faktoren Grund dafür. Beispielsweise unkontrollierbare Handlungen von Mitmenschen, unbewusste Sabotageakte unseres Gehirns, unbändiger Wille unseres Körpers oder die Tücke des Objekts.
Usability-Flexibility-Tradeoff
Steigt die Flexibilität eines Systems, sinkt die Benutzungsfreundlichkeit dessen. Am Beispiel einer Fernbedienung zeigt sich folgendes: Je mehr Funktionen, also je flexibler einsetzbar sie ist, desto komplexer wird die Handhabung. Folglich sinkt also die Benutzungsfreundlichkeit der Fernbedienung.
Wie flexibel ein Objekt oder System designed werden muss, ist abhängig von den Bedürfnissen der potentiellen Konsument*innen. Sind sich diese klar über ihre Bedürfnisse bewusst, braucht es ein niedrig flexibles Design, welches gezielt auf die Bedürfnisse antwortet. Sind diese jedoch unklar, bedarf es eines hoch flexiblen Designs, das möglichst viele aufkommende Bedürfnisse abdeckt.
Zusammenfassende Übersicht

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